Begriffe zur Beschreibung von Gedichten


In einem Gedicht äußert sich ein Subjekt über sein Verhältnis zur Welt, über seine besondere Sicht der Welt, indem es sie beschreibt bzw. über sie reflektiert. Insofern ist das »lyrische Ich« ein zentraler Begriff der Lyrik.

Auf mehrfache Weise kann das lyrische Ich im Zentrum eines Gedichts stehen:

–  Ein Ich, das sich ausspricht, wird ausdrücklich genannt.

   Beispiel:

Heinrich Heine: Enfant perdu

Verlorener Posten in dem Freiheitskriege,
Hielt ich seit dreißig Jahren treulich aus.
Ich kämpfte ohne Hoffnung, daß ich siege,
Ich wußte, nie komm ich gesund nach Haus.

(Auch hielt das laute Schnarchen dieser Braven
Mich wach, wenn ich ein bißchen schlummrig war).

In jenen Nächten hat Langweil ergriffen
Mich oft, auch Furcht – (nur Narren fürchten nichts) –
Sie zu verscheuchen, hab ich dann gepfiffen
Die frechen Reime eines Spottgedichts.

Ja, wachsam stand ich, das Gewehr im Arme,
Und nahte irgend ein verdächtger Gauch,
So schoß ich gut und jagt ihm eine warme,
Brühwarme Kugel in den schnöden Bauch.

Mitunter freilich mocht es sich ereignen,
Daß solch ein schlechter Gauch gleichfalls sehr gut
Zu schießen wußte – ach, ich kanns nicht leugnen –
Die Wunden klaffen – es verströmt mein Blut.

Ein Posten ist vakant! – Die Wunden klaffen –
Der Eine fällt, die Andern rücken nach –
Doch fall ich unbesiegt, und meine Waffen
Sind nicht gebrochen – Nur mein Herze brach.

–  Auch ohne formale Ich-Nennung kann das lyrische Ich bzw. Subjekt durch die Perspektive der
Beschreibung, durch die Art der Weltdarstellung oder durch ein Urteilen das zentrierende Element
sein.

   Beispiele:

Das kleine Haus unter Bäumen am See.
Vom Dach steigt Rauch
Fehlte er
Wie trostlos dann wären
Haus, Bäume und See.


Das lyrische Ich lässt sich in der Sichtweise, aber auch im Urteil entdecken (»Fehlte er / Wie trostlos dann wären […]«).

Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut.
In allen Lüften hallt es wie Geschrei.
Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei,
Und an den Küsten – liest man – steigt die Flut.

Der Sturm ist da, die wilden Meere hüpfen
An Land, um dicke Dämme zu zerdrücken.
Die meisten Menschen haben einen Schnupfen.
Die Eisenbahnen fallen von den Brücken.

Hier enthält sich das lyrische Ich eines Urteils, scheinbar ist es nicht vorhanden. Von der Art der Weltdarstellung her allerdings – simultane Montage unzusammenhängender, mit unangemessenem Wortmaterial erfasster Bilder – kann man auf die Befindlichkeit des lyrischen Ich schließen.

 

–  Das lyrische Ich kann sich als »Du« äußern.

Beispiel:

Johann Wolfgang Goethe: Wanderers Nachtlied 

Über allen Gipfeln
Ist Ruh,
In allen Wipfeln
Spürest du
Kaum einen Hauch;
Die Vögelein schweigen im Walde.
Warte nur, balde
Ruhest du auch.

Das »Du« ist hier mehr als Selbstansprache des lyrischen Ich zu begreifen, als dass es Anrede an ein Gegenüber ist.

Wie der Erzähler in der erzählenden Literatur ist das lyrische Ich eine poetische Figur, Teil der fiktiven Welt der Dichtung. Das lyrische Ich und der Dichter sind also nicht einfach identisch, ihre Beziehung weist unterschiedliche Grade der Nähe auf.

Beispiel:

Bertolt Brecht: Fragen eines lesenden Arbeiters 

Wer baute das siebentorige Theben?
In den Büchern stehen die Namen von Königen.
Haben die Könige die Felsbrocken herbeigeschleppt?
Und das mehrmals zerstörte Babylon –
Wer baute es so viele Male auf? In welchen Häusern
Des goldstrahlenden Lima wohnten die Bauleute?
Wohin gingen an dem Abend, wo die Chinesische Mauer fertig war
die Maurer? Das große Rom
Ist voll von Triumphbögen. Wer errichtete sie? Über wen
triumphierten die Cäsaren? Hatte das vielbesungene Byzanz
nur Paläste für seine Bewohner? Selbst in dem sagenhaften Atlantis
brüllten in der Nacht, wo das Meer es verschlang
die Ersaufenden nach ihren Sklaven.

Der junge Alexander eroberte Indien.
Er allein?
Cäsar schlug die Gallier.
Hatte er nicht wenigstens einen Koch, bei sich?

Philipp von Spanien weinte, als seine Flotte
Untergegangen war. Weinte sonst niemand?
Friedrich der Zweite siegte im Siebenjährigen Krieg. Wer
Siegte außer ihm?

Jede Seite ein Sieg.
Wer kochte den Siegesschmaus?
Alle zehn Jahre ein großer Mann.
Wer bezahlte die Spesen?

So viele Berichte.
So viele Fragen.

Bertolt Brecht ist nicht der lesende Arbeiter, auch wenn er sich zuweilen in seinem Äußeren so stilisiert hat.

Ursprüngliche Bedeutung

griech. symbolon = das Zusammengeworfene, Zusammengefügte; dann Kennzeichen, Wiedererkennungszeichen.

Im antiken Griechenland gaben sich Freunde oder Vertragspartner bei einer Trennung die beiden Hälften eines zerbrochenen Gegenstandes, z.B. eines Ringes, einer Münze, eines Stabes, die bei der Überbringung durch einen Boten zusammenpassen mussten, um die Echtheit einer Botschaft zu beglaubigen.

 

Allgemeine Bedeutung

Entsprechend der ursprünglichen Bedeutung besteht ein Symbol als Zeichen aus zwei Teilen:
Der eine Teil des Symbols ist ein Bild, etwas Anschauliches, Vorstellbares. Dieses Bild erhält seinen Sinn, seine Bedeutung dadurch, dass es auf etwas anderes bezogen wird. Dieses Zweite kann ein Gedanke sein, eine Idee, ein abstrakter Begriff, eine Aussage oder etwas Unaussprechliches, das durch das Bild »versinnlicht« wird. Das Symbol weist also über sich hinaus, es ist mehr als nur das Dargestellte.

Natürlich nicht – in Giovanni Boccaccios (1313 – 1375) berühmter Falkennovelle aus seiner Novellensammlung »Dekamerone«. Die Rahmenerzählung führt eine Gesellschaft von sieben Damen und Herren vor, die vor der Pest von 1348 aus Florenz auf ein Landgut geflüchtet sind. Um die Wartezeit zu verkürzen, erzählen sie sich dort an zehn Tagen insgesamt hundert »novelle« mit meist erotischer Thematik. So auch in der berühmten 9. Geschichte des 5. Tages:
Feredrigo, ein Florentiner von Adel, verehrt die verheiratete adlige Monna Giovanna mit solchem Aufwand, dass er darüber verarmt und sich auf sein kleines Landgut zurückzieht. Giovannas Mann stirbt und sie zieht auf das Nachbargut. Der einzige Überrest von Federigos adliger Existenz ist ein edler Falke. Ihn begehrt Giovannas kleiner Sohn, und als er erkrankt und danach verlangt, macht die Mutter Federigo einen Besuch um den Falken zu erbitten. Doch fällt sie nicht mit der Tür ins Haus, sie lädt vielmehr sich mit ihrer Freundin bei Federigo zum Essen ein. Sie zu ehren lässt er sein Bestes schlachten: eben den Falken. Und als sie nach dem Essen ihre Frage an ihn richtet, ist unterdessen der Falke verspeist. Federigo ist erschüttert, dass er die Bitte nicht gewähren kann, er bricht in Tränen aus mit einer Rede, die die Tiefe seiner Liebe zeigt. Nachdem das Kind gestorben und Giovanna nach einem Jahr von ihren Brüdern zur Ehe gedrängt wird, beehrt sie den verarmten Federigo mit ihrer Hand: »Ich ziehe den Mann, der des Vermögens entbehrt, dem Vermögen vor, das des Mannes entbehrt.«

Der Falke steht in Bocaccios Novelle für die feste Bindung an die gesellschaftliche Ordnung, vor allem aber für die bedingungslose Liebe, die zu jedem Opfer bereit ist.